Erinnern, verstehen, verarbeiten – dank Tagebuch

07/2023: Ein Aufenthalt auf der Intensivstation ist ein einschneidendes Ereignis. Damit Patientinnen und Patienten die Geschehnisse besser nachvollziehen können, kommt neu ein Tagebuch zum Einsatz.

Ob aufgrund einer schweren Erkrankung, eines Unfalls oder vorsorglich nach einer grossen Operation: Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation werden umfangreich überwacht und betreut. Wer in Lebensgefahr schwebt, muss nicht selten durch einen Schlauch in der Luftröhre künstlich beatmet, und dazu in ein künstliches Koma versetzt werden. Der Körper wird so entlastet. Aber: Die Patientinnen und Patienten sind bewusstlos und nehmen ihr Umfeld nur wenig oder gar nicht wahr.
 

Das Tagebuch im GZO

Ins Leben gerufen, hat das Tagebuch Miriam Durscher. Sie ist Fachverantwortliche Pflege auf der Intensivstation und ist unter anderem für die Sicherstellung der Pflegequalität verantwortlich. Dafür aktualisiert und implementiert sie Pflege-Richtlinien, schult ihre Kolleginnen und Kollegen und leitet Fallbesprechungen. Während ihres Nachdiplomstudiums in Intensivpflege war die 32-Jährige auch im Stadtspital Triemli tätig. Dort kam sie erstmals mit einem solchen Tagebuch in Kontakt und machte gute Erfahrungen.

Später, Miriam Durscher arbeitete mittlerweile im GZO, wuchs der Wunsch, ein solches Tagebuch auch am aktuellen Arbeitsort einzuführen. Gesagt, getan: Die Fachverantwortliche Pflege kontaktierte die umliegenden Spitäler und suchte nach Beispielen für mögliche Tagebücher. Unterstützung erhielt sie auch online und so begann Miriam Durscher damit, nach und nach ein Tagebuch für die GZO-Intensivstation zu erstellen.

Es folgte ein Pilotversuch: Pflegende schreiben über erreichte Meilensteine aber auch Rückschritte. Angehörige wiederum erzählen von dem, was zu Hause passiert, und bringen ihre Gedanken beim Besuch im Spital zu Papier oder richten Grüsse aus. Die ersten Rückmeldungen liessen nicht lange auf sich warten – und sie waren durchwegs positiv. Was Miriam Durscher besonders schätzt: All ihre Kolleginnen und Kollegen machen aktiv mit und verfassen Einträge – trotz ohnehin schon streng getaktetem Zeitplan. An eine Rückmeldung erinnert sich die Expertin besonders gerne: Eine Pflegefachfrau, die auf einer Bettenstation tätig ist, hat einer Patientin aus deren Tagebuch vorgelesen, das sie bei der Verlegung von der Intensivstation mitbrachte.

Das Erlebte verstehen

Wenn Patientinnen und Patienten das Erlebte dank Tagebucheinträgen besser nachvollziehen können, bringt das auch gesundheitliche Vorteile. So zeigten Forschungsergebnisse, dass Patientinnen und Patienten, die das Erlebte dank Tagebucheinträgen besser nachvollziehen können, später weniger unter dem sogenannten Post-Intensive-Care-Syndrom litten. Darunter wird eine Reihe von möglichen Langzeitfolgen verstanden, die nach der Behandlung auf der Intensivstation auftreten können, wie Aufmerksamkeitsstörungen oder ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen. Auch sogenannte Flashbacks können auftreten. Das bedeutet, dass bestimmte Reize – etwa Geräusche oder Gerüche – plötzlich Erinnerungen an die Zeit auf der Intensivstation auslösen. Auch Albträume sind häufig.

Auch hilft das Lesen des Tagebuchs dabei, die Zeit auf der Intensivstation Stück für Stück zu rekonstruieren, was wiederum bei der Bewältigung eines möglichen Traumas unterstützt. Miriam Durscher sieht aber nicht nur positive Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für deren Angehörigen. Diese können während ihrer Besuche aktiv dazu beitragen, dass der Weg zurück ins Leben bestmöglich gelingt. In einer Zeit, in der sich die Angehörigen oft machtlos fühlen, sei das besonders wichtig, erklärt die Expertin.

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