«Qualitätsmanagement ist ein fortlaufender Prozess.»

05/2021: Qualitätsmanagement als Monitoringtool und Führungsinstrument: Prof. Dr. med. Urs Eriksson, CMO, und Sonja-Lisa Pfäffli, Qualitätsmanagement-Beauftragte, im Gespräch.

Herr Eriksson, das Qualitätsmanagement nimmt einen grossen Stellenwert am GZO Spital Wetzikon ein. Was versteht das GZO unter Qualitätsmanagement?

Unter Qualitätsmanagement verstehen wir alle Aktionen des GZO Spital Wetzikon, die darauf abzielen, Qualität zu messen, diese mit anderen Institutionen zu vergleichen und schlussendlich zu verbessern.

Frau Pfäffli, wie ist das GZO organisiert, um optimales Qualitätsmanagement leisten zu können?

Als Bindeglied zwischen externen Organisationen und dem GZO stelle ich den Austausch über vorgegebene Rahmenbedingungen und Qualitätsanforderungen des Spitals sicher. Dabei ist die GZO-Qualitätskommission eine der zentralen Plattformen, um mich mit allen Kommissionsmitgliedern auszutauschen und gemeinsam an unseren Qualitätsmerkmalen zu arbeiten. So werden interne und externe Themen in regelmässigen Sitzungen kontinuierlich aufeinander abgestimmt, weiterentwickelt und evidenzbasierte Lösungen erarbeitet.

Das Qualitätsmanagement wird also kontinuierlich ausgeübt?

Sonja-Lisa Pfäffli: Das ist richtig. Qualitätsmanagement ist kein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist. Es ist ein fortlaufender Prozess, der fachlich eng begleitet werden muss. Operativ gelebt wird dies zum Beispiel durch das sogenannte Critical Incident Reporting System, kurz CIRS, ein fest verankertes Meldeportal, um Zwischenfälle zu registrieren. Ziel ist, daraus zu lernen und die Outputs als Chance zur Verbesserung zu nutzen.

Herr Eriksson, wie sieht für Sie gutes Qualitätsmanagement aus?

Entscheidend ist, zu definieren, welche Faktoren überhaupt betrachtet werden sollen. Meistens handelt es sich um Patientenkollektive. Dabei ist ganz wichtig, dass möglichst grosse Kollektive untersucht werden, da die statistische Aussagekraft so besser wird. Dann müssen auch Messparameter definiert werden. Infrage kommen bevorzugt solche, die auch von anderen Häusern verwendet werden und einen externen Vergleich zulassen. Gute Parameter sind Indikatoren wie Komplikationshäufigkeiten, Rezidivraten, Infektionsraten, Tod und Hospitalisationsdauer. Weniger gute Indikatoren sind «weiche» Faktoren wie Wiederempfehlungsraten, Zufriedenheit mit dem Zimmer und andere subjektive Patienteneinschätzungen. Diese haben einen Stellenwert im Marketing, sind aber wenig dafür geeignet, die medizinische Behandlungsqualität zu optimieren. Schliesslich gilt es auch, Altersgruppen zu bilden, und es muss klar sein, ob ein Patient kurativ oder nur palliativ behandelt wird.

Es ist also wichtig, die Daten mit denen anderer Spitäler vergleichen zu können?

Urs Eriksson: Ja, aber es ist vor allem von Bedeutung, mit welchen Spitälern die Daten verglichen werden. So sind Vergleiche mit Privatkliniken dann wenig sinnvoll, wenn eine Privatklinik beispielsweise multimorbide oder schwer kranke Patienten und Patientinnen gar nicht behandelt, sondern an öffentliche Häuser überweist. Ein Vergleich mit verschiedenen Spitälern ist dann möglich, wenn wenige, gut definierbare Parameter erfasst werden sowie die untersuchten Patientenkollektive vergleichbar sind und eine Grösse aufweisen, die einen vernünftigen statistischen Rückschluss zulässt.

Herr Eriksson, was ist, neben alldem, der ausschlaggebende Punkt, um gutes Qualitätsmanagement auszuüben?

Wesentlich ist, dass dem Qualitätsmanagement im Spitalbetrieb ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Nur so können Daten korrekt erhoben, die Resultate kritisch gewertet, die entsprechenden Konsequenzen gezogen und dann auch richtig kommuniziert werden. 

Mit dem Qualitätsmanagement steigt auch der Administrationsaufwand, denn die Daten müssen erfasst und verglichen werden. Leidet hier nicht letztendlich die Qualität am Patientenbett, wenn immer mehr Daten und Qualitätsmerkmale erfasst werden müssen?

Urs Eriksson: Sie haben sicher recht, dass der administrative Aufwand in allen Spitälern über die letzten Jahre überproportional gewachsen ist. Vonseiten der politischen Regulatoren wurden und werden den Spitälern Qualitätsmessungen verordnet, die meine bereits erwähnten Anforderungen an «gute» Qualitätsinstrumente zum Teil ad absurdum führen. Das führt vielleicht zu einem gewissen Mehraufwand. Schlussendlich muss jedoch jeder, der am Patientenbett gewissenhaft arbeitet, ein Interesse daran haben, die Qualität seiner Arbeit zu reflektieren. Diskutabel wird der Administrationsaufwand dann, wenn unter Verwendung von Schlagworten wie «Qualitätsverbesserung» oder «Prozessoptimierung» sinnlose Bürokratie aufgeblasen wird.

Frau Pfäffli, mit welchen Monitoringtools arbeitet das GZO?

Je nach Bereich und dessen Anforderungen wird mit unterschiedlichen Tools gearbeitet, die auf die bereichsspezifischen Prozesse abgestimmt sind. Diese Daten werden in sogenannte Register eingetragen, damit sie im Rahmen der Qualitätssicherung ausgewertet und analysiert werden können. Ein Beispiel ist hier das Schweizerische Implantatregister SIRS für Knie- und Hüftprothetik in der Chirurgie.

Können Sie uns an einem Beispiel verdeutlichen, wie ein optimaler Transfer von der Theorie in die Praxis aussieht?

Sonja-Lisa Pfäffli: Ein optimaler Transfer schaut so aus, dass aktuelle Daten oder neue Informationen unverzögert von der Theorie in die Praxis gelangen. Zudem ist wichtig, Auffälligkeiten zu erkennen, Verbesserungspotenzial zu ermitteln und Lösungen zu entwickeln. Doch Lösungen zu bestimmen, Massnahmen zu planen und diese durchzuführen, ist das eine. Das andere ist die Überprüfung der durchgeführten Massnahmen, was einen wichtigen Eckpfeiler im PDCA-Zyklus darstellt, kurz für Plan, Do, Check und Act. Intern werden beispielsweise ein Sturz eines Patienten mit potenzieller Verletzungsgefahr gemeldet sowie Massnahmen zur Sturzvermeidung eingeleitet und durchgeführt. Nach einem definierten Zeitintervall oder nach einem erneuten Sturz des Patienten müssen die Massnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und bedarfsweise angepasst werden.

Und wie schafft man es dann, eine Qualitätssteigerung im direkten Umgang mit unseren Patienten und Patientinnen zu erreichen?

Sonja-Lisa Pfäffli: Alle Mitglieder der GZO-Qualitätskommission und die CIRS-Verantwortlichen sind Führungspersonen oder interdisziplinär gut vernetzt. Sie stellen den Kontakt und Informationsaustausch im Sinne des Qualitätsmanagements zur Basis, also dem Patienten, und umgekehrt sicher. Durch unser Beschwerdemanagement werden alle Rückmeldungen der Patienten und Patientinnen zudem zeitnah eingesehen. Bei Bedarf werden Sofortmassnahmen eingeleitet, die Rückmeldungen besprochen und darauf entsprechend reagiert. So ist das GZO über die Bedürfnisse unserer Patienten laufend informiert.

Frau Pfäffli, gibt es noch weitere Möglichkeiten, eine Qualitätssteigerung herbeizuführen?

Eine Qualitätssteigerung kann auch durch offene Kommunikation sowie durch regelmässigen Austausch, also beispielsweise durch Fallbesprechungen mit Kollegen, Kolleginnen und Vorgesetzten, weiter gefördert werden. Auch ich als Qualitätsmanagementbeauftragte kann beratend und unterstützend hinzugezogen werden.

Herr Eriksson, Sie sprechen davon, Qualitätsmanagement nicht nur als Monitoringtool einzusetzen, sondern auch als Führungsinstrument. Wie dürfen wir das verstehen?

Es macht keinen Sinn, Qualität zu messen und sich zu vergleichen, ohne die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, wenn ein Messparameter einmal weniger gut ausgefallen ist. Es ist dann die Aufgabe unserer Qualitätskommission, diesen Fall mit den Verantwortlichen zu besprechen und zu überprüfen. Die daraus resultierenden Schlüsse müssen sich dann in den entsprechenden Prozessen oder Massnahmen zeitnah widerspiegeln.

Wie kann man mit Qualitätsmerkmalen führen, wenn diese sich regelmässig verändern beziehungsweise verschärfen? In der Corona-Pandemie beispielsweise wurden die Hygieneregeln umfassend verschärft und Abläufe wurden zum Teil sehr komplex. Werden wir in Zukunft mit einem dichteren Netz an Regelwerken zu Sicherheit und Qualität konfrontiert sein?

Urs Eriksson: Das Gesundheitssystem entwickelt sich bereits seit vielen Jahren mit grosser Rasanz weiter, und dies bringt viele Veränderungen mit sich. Im Jahr 2020 wurde dies aber für alle offensichtlich und merklich herausfordernder als zuvor. Das fordert von uns ein enges Zusammenarbeiten mit allen Beteiligten, Transparenz und Klarheit in der Führung. Ja, die Anforderungen an Sicherheit und Qualität werden weiter steigen. Durch einheitlich definierte Indikatoren oder Kennzahlen können Vergleiche gezogen und Veränderungen direkt visualisiert werden.

Frau Pfäffli, welche Rolle spielt die Digitalisierung im Qualitätsmanagement? Ist der Aufwand höher, oder kann die dadurch vereinfachte Datenerfassung zu einem schnelleren Ergebnis und damit zur schnelleren Qualitätssicherung beitragen?

Die Digitalisierung wird allgemein im Gesundheitswesen immer zentraler. Unter diesem Begriff kumulieren sich jedoch enorm viele Themen, und das entsprechende Umdenken und die Umstellung auf neue Prozesse bedeuten einen grossen Aufwand für die jeweiligen Beteiligten. Die Implementierung digitaler Prozesse und Abläufe muss im Voraus minutiös geplant und dann schrittweise eingeführt werden. Altgediente Arbeitsprozessschritte werden verändert und angepasst, was herausfordernd für alle Beteiligten ist. Die Führungspersonen stellen dabei eine tragende und zentrale Rolle im Veränderungsprozess dar. Die Digitalisierung oder auch Automatisierung ermöglicht schlussendlich eine sicherere und schnellere Datenerfassung. Bedingt dadurch können am Ende die Massnahmen zur Qualitätsentwicklung schneller eingeleitet werden.

Welche Rolle spielt dabei der Datenschutz?

Sonja-Lisa Pfäffli: Eine sichere Datenerfassung ist zentral. Als Patientin oder Patient habe ich das Recht darauf, alle Informationen und das Ziel der Datenerfassung mindestens auf Verlangen zu erfahren. Werden Daten zur externen Erfassung und Auswertung im Rahmen der Qualitätssicherung gebraucht, werden die Patientinnen und Patienten schriftlich informiert. Zudem sollten sie die Möglichkeit haben mitzubestimmen, ob ihre Daten eingetragen werden sollen. Mit den Daten wird folglich intern sowie extern in einem klar festgelegten datengeschützten Rahmen umgegangen. Verstösse gegen den Datenschutz sind nicht zulässig und werden verfolgt.

Herr Eriksson, mit wachsenden Qualitätsnormen wächst auch die Zahl der Zertifikate und Labels. Bei welchen Qualitätslabels ist sicher, dass sie das Engagement der entsprechenden Institution dokumentieren?

Grundsätzlich sagen Qualitätslabels und Zertifizierungen aus, dass eine Institution bestrebt ist, ihre Organisation, die personellen Kapazitäten, ihre Infrastruktur, ihre Interdisziplinarität, ihre Patientenvolumina und Abläufe zu überprüfen. Das spricht bereits für ein entsprechendes Engagement. Grundsätzlich kann man sagen: Ist ein Spital auf der Spitalliste des Kantons, und die Kliniken sind von der FMH anerkannte Weiterbildungsstätten, dann kann man sich in diesem Haus mit sehr gutem Gefühl behandeln lassen.

Das GZO erreicht regelmässig hohe Qualitätsstandards, arbeitet jedoch mit vergleichsweise weniger Mitarbeitenden als andere Regionalspitäler. Als Laie wird oft davon ausgegangen, dass mehr Mitarbeitende die Sicherheit erhöhen, frei nach dem Mehraugen-Prinzip. Ist die Anzahl der Mitarbeitenden also nicht entscheidend, um Qualität sicherzustellen?

Urs Eriksson: Ich denke nicht, dass das GZO sehr viel weniger Mitarbeitende hat als andere erfolgreiche Spitäler vergleichbarer Grösse. Aber Sie haben insofern recht, als dass wir mit der Anzahl Mitarbeitender im Benchmark doch sehr gut dastehen. Die Ausbildung, Fachkenntnisse und Motivation der Mitarbeitenden sind aber für die Qualität ebenso entscheidend wie gute Prozesse und eine umsichtige Mitarbeiterführung. Die Anzahl Mitarbeitender ist demnach einer von mehreren Faktoren, der über die Qualität entscheidet.

Frau Pfäffli, das GZO hat mit Ihnen eine neue Qualitätsmanagementbeauftragte seit letztem Jahr. Die Funktion an sich wurde jedoch bereits vor mehr als zehn Jahren eingeführt. Was konnte bisher erreicht werden?

Dr. Hendrik Lohr hat als Qualitätsmanager das Qualitätsmanagement im GZO aufgebaut und massgeblich gestärkt. Das GZO Spital Wetzikon ist somit kantonal, national und international bezüglich Qualitätsthemen bereits überaus gut vernetzt und integriert. Die Zusammenarbeit mit externen Organisationen wie beispielsweise dem BAG, H-Plus, ANQ – einem nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern – oder der Initiative Qualitätsmedizin IQM in Berlin wurde erfolgreich umgesetzt.

Wo haben Sie weitere Schwerpunkte gesetzt?

Sonja-Lisa Pfäffli: Um den intradisziplinären Informationsaustausch zu gewährleisten, erhielt das Qualitätsmanagement mit mir als Qualitätsmanagementbeauftragte Einsitz in die internen Austauschgefässe. Doch auch die externen Kontakte konnte ich weiter ausbauen. Parallel dazu läuft die Erarbeitung und Weiterentwicklung des CIRS-Meldeportals und des dazugehörigen Konzepts. Hinzu kommt, dass die Direktion Betriebe und die Spitalapotheke in der GZO-Qualitätskommission verstärkt mit eingebunden wurden. Auffälligkeiten von Kennzahlen oder Indikatoren leite ich kommissionsintern und proaktiv an die entsprechenden Personen weiter. Die Sitzungsintervalle der Qualitätskommission wurden auf vier Mal pro Jahr erhöht und mir wurde mehrfach mitgeteilt, dass damit Austausch und Analysen verbindlicher geworden sind.

Sie kommen aus der Pflege und haben viel Erfahrung am Patientenbett. Was sind, unter Berücksichtigung Ihres beruflichen Werdegangs, Ihre Ansätze und Ziele, die Sie in diese Rolle mit einbringen möchten?

Sonja-Lisa Pfäffli: Durch meine Erfahrungen auf den Bettenstationen weiss ich, wie der Praxisalltag bei den Patienten und Patientinnen aus pflegerischer Perspektive ausschaut. Ich habe durch meine neue Funktion festgestellt, dass im Vergleich mit anderen Disziplinen wenige Kennzahlen im Fachbereich der Pflege erhoben werden. Auf nationaler Ebene wird dies nun vermehrt thematisiert und soll mit einem nationalen Konzept zur Qualitätsentwicklung in den Schweizer Spitälern und Kliniken zukünftig gestützt und eingefordert werden. Dies wird auch das GZO Spital Wetzikon betreffen. Mein Ziel ist es, diese bevorstehende Veränderung als Chance zu nutzen, die Qualität zu verbessern und dem Fachbereich Pflege mehr Gewicht zu verleihen.

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