Inäasichte – Wie es dazu kommen konnte

12/2017: Der Traum vom Blick ins Innerste. Und wie er wahr wird.

Als Kind wollte ich immer wissen, wie es im Inneren eines Schneckenhauses aussieht. Nun, um das zu erforschen, wäre es schön gewesen, ebenso klein wie eine Schnecke zu sein, aber das ging nun mal nicht. Somit musste ich das zarte Gehäuse erst gewaltsam zerbrechen, um dann festzustellen, dass gar nichts drin war, denn die Schnecke war schon lange ausgezogen. Spätestens beim dritten Gehäuse war mir klar, dass diese klebrigen Dinger sogar schneller als ich sein mussten. Aber das Interesse am Inneren, Dunklen, Verborgenen war geweckt. Daraus ist schliesslich mein Beruf geworden, in dem ich heute nach wie vor versuche, ins Innere zu gelangen. Doch jetzt sind es Menschen, die faszinierendsten Lebewesen dieses Planeten, die ich versuche, möglichst ohne Verletzung, «minimalinvasiv» mit kleinsten Instrumenten zu ergründen, um ihnen zu helfen und ihre Beschwerden zu lindern.

Aufbruch zur Reise ins Innere

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass wir heute so tief ins Innere der Menschen gelangen können, um sie dann mit neuesten, faszinierenden technischen Errungenschaften zu ergründen und ihnen zu helfen?

Zu Zeiten des Urvaters des ärztlichen Berufsstandes, Hippokrates (460 – 370 v. Chr.), und seiner Nachfolger um Claudius Galenos (129 – 216 n.Chr.) glaubte man an das Gleichgewicht der vier Kardinalsäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Den menschlichen Körper durfte man nur von aussen betrachten, da die Hülle heilig war und für die Reise ins Jenseits gebraucht wurde. Galenos ging davon aus, dass die Leber unser zentrales Organ sei, wo das Blut produziert wird. Er verewigte sich in der Begründung der Galenik, der Lehre der Arzneimittelherstellung durch Zubereitung von Extrakten, Tinkturen, Salben und Pflastern. Diese Weisheiten behielten für sage und schreibe 1500 Jahre Gültigkeit. Erst in der Renaissance entdeckte William Harvey (1578 – 1657), der Leibarzt des englischen Königs, 1615 nach Sektion verschiedener Tiere das Herz als Zentrum des Blutkreislaufes. Damit revolutionierte er wie kaum jemand vor oder nach ihm das Verständnis des menschlichen Körpers.

Rasanter Fortschritt

Nochmals zweihundertfünfzig Jahre dauerte es, bis Adolf Kussmaul 1868 an einem Schwertschlucker die erste Magenspiegelung mit einem starren, mit optischen Linsen ausgestatteten Kupferrohr durchführen konnte. Die Endoskopie, der «Blick ins Innere», war geboren. 1932 führte Rudolf Schindler in Deutschland die erste semiflexible Endoskopie durch, sozusagen mit einem Vorgänger der heutigen Endoskope. Kurz zuvor hatte Alexander Fleming 1928 das Penicillin entdeckt. Seither hat die Medizin rasante technische Weiterentwicklungen erlebt: so zum Beispiel 1929 die erste Rechtsherzkatheter-Untersuchung (Werner Forssmann), 1953 die Entdeckung des Aufbaus unseres Grundbausteins der DNA (James Watson, Francis Crick). 1956 folgten die erste Glasfaser-Magenspiegelung (Basil Hirschowitz), 1966 die komplette Entschlüsselung des genetischen Codes (Basentripletts), 1967 die erste Herztransplantation (Christian Barnard) und 1983 die Einführung der Kernspintomografie (MRI). Diese Liste ist natürlich unvollständig und könnte fast täglich durch neue Entdeckungen und Erkenntnisse ergänzt werden.

Der Blick durchs Schlüsselloch

Heute sind wir in der Lage, mit einem 3.5 mm dünnen Endoskop, welches einen 0.9 x 0.9 mm grossen Chip mit 24 000 Pixeln an der Spitze trägt, ohne den Körper zu verletzen, durch die natürlichen Körperöffnungen bis tief in die Leber oder die Bauchspeicheldrüse zu schauen. Dabei können wir durch einen 1.2 mm grossen Arbeitskanal verschiedene Instrumente einführen, um Proben zu entnehmen oder operative Eingriffe durchzuführen. Gleichzeitig ist es zudem möglich, über einen weiteren Kanal im Instrument zu spülen oder abzusaugen. Diese mikrochirurgischen Eingriffe erfolgen mit bis 40-facher Vergrösserung am schlafenden Menschen ohne Vollnarkose.

Und das ist erst der Anfang einer faszinierenden Entwicklung, die uns bis in die kleinsten Windungen unseres Körpers führt und weiter führen wird. Diese Technologien werden von Ärzten in Zusammenarbeit mit Ingenieuren nach spezifischen Bedürfnissen eines Fachgebiets oder Einsatzes ständig weiter angepasst. So beginnen wir nun, die seit 1882 am offenen Bauch und seit 1985 mit der Schlüssellochmethode (Laparoskopie) durchgeführte Operation zur Entfernung von Gallensteinen so zu revolutionieren, dass wir nunmehr nur die Steine aus der Gallenblase entfernen und die Gallenblase selbst im Körper belassen; eben minimalinvasiv, ohne unnötige Verletzungen. Früher versorgten Herzchirurgen verengte Herzkranzgefässe mit einem Bypass, während der Patient an der Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten wurde. Heute können diese Engstellen oftmals durch feine Katheter erweitert werden, wie weltweit erstmals 1977 am Universitätsspital in Zürich durch Andreas Grüntzig. Gleichzeitig entwickeln wir immer bessere bildgebende Verfahren, um das Innere des Menschen zu «durchleuchten». Wir kehren mehr und mehr zum Weltbild unserer Urväter zurück und lassen die Hülle unberührt.

Hätte ich als kleiner Junge schon ein Endoskop gehabt, wäre das Schneckenhaus vielleicht ganz geblieben. Aber ich hatte damals nur mein Spielzeugmikroskop mit 15-facher Vergrösserung, mit dem ich nicht durch die harte Schale gucken, sondern nur Blätter und Blüten untersuchen konnte. Nur, Botanik war noch nie meine Spezialität und für die Schnecken war ich ja zu langsam.

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