Die Leber – Generator, Speicher und Entsorgungsmaschine

05/2018: Über die beeindruckenden Facetten eines oft verkannten Superorgans.

Fois gras

Dass das qualvolle Stopfen von Gänsen und Enten umstritten ist, war mir schon bewusst. Aber die Tatsache, dass wir bereits einen «Fois-Gras-Graben» in der Schweiz haben, ist mir neu. Was aber hat nun die von den einen geliebte, von den anderen verschmähte Fettleber mit unserem Körper zu tun? Wozu haben wir denn überhaupt eine Leber? Und wieso stopfen wir die armen Tiere?

Die Leber, welche sich unterhalb des Zwerchfells im rechten Oberbauch befindet, ist unser wichtigstes Stoffwechselorgan. Nachdem unsere Nahrung im Magen-Darmtrakt in Einzelteile zerlegt worden ist (vgl. meinen Artikel zur Verdauung), wird sie im Dünndarm ins Blut aufgenommen. Das Blut gelangt von dort über die sogenannte «Pfortader» in die Leber.

Die Pfortader

Durch diese «Pforte» fliesst nun also die gesamte Energiezufuhr (Eiweiss, Fett, Kohlenhydrate) in die Leber und wird dort verarbeitet. Ob die alten Anatomen diesem Eingang deshalb einen so gewichtigen Namen gaben? Heute hätte man die Pfortader vielleicht eher «Tankstutzen» oder «Zapfsäule» genannt oder vielleicht auch «Ladekabel». Denn tatsächlich kann man die Leber durchaus mit einer Batterie vergleichen. In ihr finden komplizierte chemisch-physikalische Prozesse statt und letztlich wird Energie in Form von Fett gespeichert – was zur Fettleber (eben «Fois gras») führen kann, wenn man zu viel Fett in die Schlunde stopft.

Personalunion im Körper

Bei Bedarf werden die Energieträger aus den Speichern wieder ans Blut abgegeben, um – wo immer gebraucht – in Muskel, Hirn oder anderen Organen verbrannt zu werden. Die Abbauprodukte der Verbrennung werden anschliessend, wiederum in der Leber als Schadstoffe entgiftet, in Galle verpackt, um via Darm oder Nieren unseren Körper zu verlassen. Die Leber fungiert also sozusagen als Kraftwerk, Brennstoffzelle
(Batterie) und Katalysator in Personalunion. – Kein Wunder, dass es dabei hin und wieder zu Problemen kommen kann.

Zu viel oder zu wenig?

Nun, alles mit «zu» sei schlecht, habe ich einmal gelernt. So eben auch bei der Leber. Zu viel Fett, Alkohol oder überhaupt Nahrung; zu viele Medikamente oder Drogen; aber auch zu wenig Nahrung beim Fasten, beim Hungern oder zu einseitige Ernährung können das ausgeklügelte und komplexe System aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn dann noch Viren oder Bakterien hinzukommen, führt das schnell einmal zur Gelbsucht oder zum Wasserbauch oder zur sogenannten «Zirrhose». Dabei ist die Leber nicht mehr weich wie ein Schwamm voll Blut, sondern derb und hart. Vom Kraftwerk bleibt nur mehr das Gerüst stehen, und die Leberzellen, welche die ganze Arbeit verrichten, sterben ab. Warum aber bekommen dann nicht alle Menschen, die zu viel trinken, eine Leberzirrhose? Auch hier hilft der Vergleich mit einer Batterie: Wie diese hat auch unsere Leber eine riesige Reservekapazität. So kommt es erst zum Verlust der Organfunktion, wenn mehr als 70 Prozent der Zellen zerstört sind, zum Beispiel bei einer akuten Hepatitis, also einer Entzündung der Leber, oder eben bei einer Leberzirrhose.

Was hat das mit griechischer Mythologie zu tun?

Prometheus der Titan hatte mit einer List den Göttern das Feuer entwendet, um es seinen Schützlingen, den Menschen, zu geben. Als der Göttervater Zeus das bemerkte, wurde Prometheus zur Strafe an einen Felsen im Kaukasus gefesselt. Jeden Tag kam ein Adler und pickte ihm die Leber aus dem Leib. Am nächsten Tag war sie bereits wieder nachgewachsen. Dies ist möglich, da die Leber (griechisch «Hepar») eine extrem schnelle Regenerationsfähigkeit hat. Diese Fähigkeit ist für uns lebenswichtig, da wir ja nur eine Leber im Körper haben. Andere Organe wie Nieren, Lungen, ja sogar Hirnhälften sind doppelt angelegt und können den Ausfall eines der beiden Organe durch Überfunktion kompensieren. Bei der Leber ist das unmöglich. Wohl auch deswegen sind es die Ärzte, die immer mit dem mahnenden Zeigefinger vor dem Zuviel oder Zuwenig warnen.

Genuss oder Überdruss

Ausser Energie werden in der Leber auch andere Stoffe gespeichert, so zum Beispiel Eisen, das für die Blutbildung benötigt wird. Auch dabei muss das Gleichgewicht stimmen, sonst kommt es entweder zu einer Überladung, der sogenannten «Hämochromatose», oder zu einem Eisenmangel. Zu guter Letzt ist die Leber auch für die Produktion von Stoffen verantwortlich, welche für die Blutgerinnung oder Entzündungskaskade benötigt werden. All diese Vorgänge laufen über eine unzählige Menge an Proteinen, Boten- und Trägerstoffen ab. Viele dieser Stoffwechselprozesse sind noch unbekannt bzw. werden intensiv erforscht, um Medikamente zu entwickeln, die dort eingreifen können, wo Abläufe ins Stocken oder ausser Kontrolle geraten. Und ich dachte immer, wir hätten nur einen «Rösti-Graben». Nun, solange in der Romandie Fois gras als Delikatesse gilt, können wir «ännet» dem Graben vielleicht noch lernen, dass das Leben auch etwas mit Genuss zu tun hat. Es ist aber wie so vieles eben immer eine Frage der Dosis, und am besten ist immer noch eine ausgeglichene Ernährung. Aber dazu vielleicht ein andermal mehr.

Guten Appetit

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